In seinem Essay über den säkularen Körper fragt sich Hirschkind, warum die Aussage "Er lebt ein sehr religiöses Leben" uns einen gewissen Eindruck von der Form eines Lebens vermittelt, während "Er lebt ein sehr säkulares Leben" uns fast nichts sagt (außer, negativ ausgedrückt, dass die Person keine gottesdienstlichen Praktiken ausübt)" (2011: 641). Für die Bewohner*innen des heutigen Istanbul mag die letztgenannte Aussage nicht so unsinnig klingen, wie sie es möglicherweise anderswo und für andere tut. Mehr noch, in einer Atmosphäre politischer Spannungen und der allgemeinen Rhetorik einer zunehmenden säkularen und islamischen Spaltung der Gesellschaft nach der Machtkonsolidierung und zunehmend autoritären Herrschaft der konservativen, pro-islamischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP) nahm der "säkulare Körper" für viele meiner Forschungsteilnehmer*innen in Istanbul eine konkrete Form und Rolle an. In diesem Kapitel konzentriere ich mich auf eine bestimmte Gruppe von Frauen mittleren bis höheren Alters, die im öffentlichen Diskurs gemeinhin als "(selbst-)bewusste Frauen in den Wechseljahren" (bilinç sahibi menopozlu kadınlar) bezeichnet werden (Erol 2011), und die während des frühen Booms des städtischen Schönheitssektors in den 1990er Jahren mit den ersten Anzeichen des Alterns konfrontiert wurden, einer Zeit, in der die Wechseljahre in der Türkei zum öffentlichen Wissen wurden. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie selbstidentifizierte säkulare Frauen dieser Generation ihre säkulare Selbstgestaltung durch körperliche Praktiken und öffentliche Auftritte als einen Akt unmittelbarer Betroffenheit verstanden.