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Ausführliche Projektbeschreibung

Das Teilprojekt untersucht die affektiven Dynamiken der transkulturellen Eigentumskonflikte um ethnographische Sammlungen am Beispiel des Berliner Humboldt Forums und der Tansania-Sammlung des Ethnologischen Museums Berlin. Dabei rücken wir die gegenwärtig in Deutschland verstärkt entstehenden Kollaborationsprojekte zwischen Museen und indigenen Vertreter:innen sogenannter Herkunftsgesellschaften in den Mittelpunkt der ethnographischen Forschung. Wir fragen, erstens, wie unterschiedliche, affektiv grundierte Vorannahmen über den ontologischen Status der Objekte und ihre Zuordnung zu menschlichen Akteur:innen die Aushandlungsprozesse um Repräsentation, Restitution und Dekolonisierung im Kontext der Kollaborationen prägen und zu affektiven Dissonanzen zwischen den Beteiligten führen. Zweitens untersuchen wir, wie in den Kollaborationen die mit diesen differenten ontologischen Weltverfasstheiten verbundenen Affekte und Emotionen selbst zum Gegenstand von Aushandlungen werden und inwieweit dabei indigene Gefühlsordnungen Entfaltungsraum finden und in Richtung einer Transformation musealer Strukturen wirken können.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass affektive Dissonanzen in transkulturellen Kollaborationen um ethnographische Sammlungen dadurch verursacht werden, dass museale Institutionen eine modernistische Subjekt-Objekt-Dichotomie und ein westlich-kapitalistisches Verständnis von Eigentum selbstverständlich voraussetzen. Damit werden Emotionen und Affekte indigener Akteur:innen, die, wie etwa in ländlichen Tansania, die von unveräußerlichen Körpern bzw. Subjekten mit eigener Handlungsmacht ausgehen, strukturell abgewertet. Dies führt wiederum zu heftigen Reaktionen wie Wut oder Empörung, die auf divergierende, teils normativ verankerte Emotionsrepertoires und Sentiments verweisen. Dementsprechend lautet unsere These, dass in Kollaborations- und Restitutionsprozessen diese komplexen sozio-materiellen und affektiven Relationalitäten verstärkt berücksichtigt werden müssen. Am Beispiel von drei Kollaborationsprojekten des Ethnologischen Museums Berlin mit ländlichen Herkunftsgemeinschaften in Tansania nehmen wir die auftretenden affektiven Dissonanzen zum Ausgangspunkt, um zu verstehen, wie hegemoniale Emotionsrepertoires, die in das Museum eingeschrieben sind, transformiert werden können, um fortdauernde koloniale Machtasymmetrien zu überwinden.  

Auf Grundlage einer solchen, auf affektive Dynamiken ausgerichteten Ethnographie verspricht das Teilprojekt innovative Ergebnisse in sowohl konzeptueller wie angewandter Hinsicht. Indem wir in unserem ethnographischen Forschungsdesign Ansätze aus der material anthropology und ontological anthropology mit den affect studies zusammenführen, arbeiten wir eine das Konzept einer „relationalen Ethik“ (Sarr & Savoy 2019) affekttheoretisch aus, die auf die neuen musealen Kollaborationen hinzielt. Hieraus können neue Kollaborationsformen entworfen werden, die es erlauben, affektiv grundierte koloniale Machtstrukturen in Museen substantiell zu hinterfragen. Damit leistet das Projekt wichtige Beiträge zur gesamtgesellschaftlichen Diskussion um die Dekolonisierung von Museen und Wissen.