Internationale Tagung der Themengruppe „(P)Reenactment“ des Sonderforschungsbereichs „Affective Societies“ an der FU Berlin
Während das Konzept des „Reenactments“ seit einiger Zeit als Vergegenwärtigung und Aktualisierung von Vergangenem in künstlerischen Praktiken populär ist, erfährt der Begriff des „Preenactments“ erst in jüngster Zeit Beachtung: Als performative Praxis geht es hier nicht um eine Wieder-Holung, sondern um die Erprobung fiktiver bzw. möglicher Zeit- und Räumlichkeiten. Dabei werden hypothetische Zukunftsszenarien vorweggenommen und als mögliche Realitäten, aber auch als Dys- bzw. Utopien im Kontext von Aufführungen verhandelt (z.B. Interrobang, Hofmann & Lindholm). Wie kann man die Zeitlichkeit des Preenactments denken, wenn die Vektoren, Intensitäten und Affekte über den vermeintlich ephemeren Moment hinausgehen? Ebenso wie das Reenactment immer schon eine prospektive Dimension enthält, schließen Preenactments stets eine retrospektive Dimension mit ein. Um die Verwobenheit der zeitlichen Perspektiven hervorzuheben, schlagen wir daher die Schreibweise „(P)reenactment“ vor. Hiermit wollen wir auch eine Neuperspektivierung des Reenactments anregen, bei der nicht mehr Rekursion, Wiederholung oder Dauer im Vordergrund stehen, sondern gerade der Beginn als (Ent-)Setzung, als Öffnung von Passagen und Umorientierungen.
Die interdisziplinär angelegte Tagung möchte diese Aspekte des Vor-, Nach-, sowie Per-Formens nicht nur anhand künstlerischer Praktiken untersuchen, sondern den Fokus ebenso auf soziale, mediale, politische und aktivistische Phänomene erweitern.
Inwiefern wirken künstlerische (P)reenactments im Sinne von Antizipationen in politische Handlungszusammenhänge hinein und umgekehrt? Inwiefern eignet sich eine Theorie des (P)reenactments dazu, das Verhältnis von Kunst und Politik neu zu bestimmen? Welche Rolle spielen kulturell-historische Vorprägungen von Handlungsmöglichkeiten und Wahrnehmungsgewohnheiten?
Darüber hinaus will die Tagung das (P)reenactment auch jenseits von Live-Performances denken und an einen medienwissenschaftlichen Diskurs anknüpfen. Gerade im Zusammenhang mit Computerspielen, bei denen Spieler*innen im Körper eines Avatars virtuelle Handlungsspielräume ‚preenacten‘, ergibt sich die Notwendigkeit einer Neubefragung und Erweiterung der theaterwissenschaftlichen Definition des Reenactments als ‚verkörperte‘ Wiederholung. (P)reenactments lassen sich auch als Phänomene begreifen, die nicht nur in explizit künstlerischen Rahmungen, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen jenseits der künstlerischen Praxis begegnen. Die bislang vor allem in den Theater- und Kunstwissenschaften geführte Diskussion um Re- bzw. Preenactments soll damit auch für andere Disziplinen, insbesondere für die Medienwissenschaften und die Soziologie, fruchtbar gemacht und erweitert werden.
Mit den zeitlichen und räumlichen Dynamisierungen im (P)reenactment sind zugleich unterschiedliche Potenziale von Affizierung angesprochen. Das Vermögen, bewegt zu werden und zu bewegen, realisiert sich in einem Spannungsfeld zwischen Erinnerung/Geschichte und Zukunftsvision. Werden (P)reenactments als Affizierungsgeschehen aufgefasst, lassen sich Aspekte in den Blick nehmen, die von der Reenactment-Forschung bislang zu wenig beachtet wurden, im Rahmen einer Theoriebildung, die an die Diskurse der Affect Studies anschließt, jedoch stärkeres Gewicht erhalten.
Beabsichtigt ist ein interdisziplinärer Austausch zu den skizzierten Dimensionen von (P)reenactment, zu dem Vortragende aus den Bereichen der Theaterwissenschaft, der Medienwissenschaft, der Literaturwissenschaft und der Politik- und Sozialwissenschaften eingeladen sind. Jenseits des wissenschaftlichen Dialogs soll die Tagung auch künstlerische Interventionen und Beiträge von Praktiker*innen des (P)reenactments aus verschiedenen Bereichen präsentieren.
Keynotes
Rebecca Schneider
Oliver Marchart
Lecture Performance
Friendly Fire!
Künstlergespräch
Nina Tecklenburg (Interrobang)
Sven Lindholm und Hannah Hofmann (Hofmann & Lindholm)
moderiert von Doris Kolesch
Mit Beiträgen in deutscher und englischer Sprache von
Friedrich Balke
Benjamin Beil
Francesca Laura Cavallo
Adam Czirak
Veronika Darian
Susanne Foellmer
Friedrich Kirschner
Heiko Kirschner
Daniela Kuka
Maria Muhle
Sophie Nikoleit
Friederike Oberkrome
Verena Straub
Robert Walter-Jochum
Michael Wetzels
Organisation und Konzeption
Adam Czirak, Sophie Nikoleit, Friederike Oberkrome, Verena Straub, Robert Walter-Jochum, Michael Wetzels – Themengruppe „(P)reenactment“ des Sonderforschungsbereichs 1171 „Affective Societies“.
Eine Veranstaltung des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten SFB 1171: „Affective Societies“, in Kooperation mit dem ICI Berlin.
Die Veranstaltung ist kostenfrei und öffentlich zugänglich, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Das ausführliche Programm finden sie hier.
Zeit & Ort
27.10.2017 - 28.10.2017
ICI Berlin Institute for Cultural Inquiry
Christinenstr. 18/19
10119 Berlin