Dieser Artikel beleuchtet die Ontogenese des autobiografischen Gedächtnisses und seine soziokulturellen Grundlagen als ein wichtiges und unterrepräsentiertes Forschungsgebiet der psychologischen Anthropologie. Er erörtert die Ergebnisse einer explorativen Photovoice-Studie über die emotionalen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen. Unsere Studie ergab, dass Erinnerungspraktiken im täglichen Leben junger Menschen eine große Rolle spielen. Die Teilnehmer*innen bezogen sich häufig auf emotional bedeutsame vergangene Ereignisse, Beziehungen oder Lebensabschnitte, indem sie diese mit bestimmten Erinnerungsobjekten in Verbindung brachten. Wir gehen davon aus, dass die materielle Dimension der Erinnerungspraktiken von Kindern nicht nur eine affektive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglicht, sondern auch vergangene Erfahrungen mit sich selbst und anderen kommunizierbar macht. Die von unseren Forschungsteilnehmer*innen verwendeten Erinnerungsobjekte waren in erheblichem Maße mit kulturspezifischen Formen des Erinnerns, des (auto-)biografischen Erzählens und der Gefühlsbildung von Jugendlichen verbunden. Bei der Erörterung weitergehender Implikationen unserer Ergebnisse stützen wir uns auf Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, der Affekt- und Emotionstheorie sowie der sozialanthropologischen Forschung zu Erinnerung und Materialität. Wir schließen mit einem kurzen vergleichenden Blick auf Erinnerungspraktiken im indonesischen Kontext, um auf ein bedeutendes Feld kulturübergreifender Forschung hinzuweisen, das sich an der Schnittstelle von Studien zur materiellen Kultur, zu Erinnerungspraktiken, zum (auto-)biografischen Erinnern und Erzählen und zur Bildung von Gefühlen eröffnet.