Rechtsanthropologie und Rechtssoziologie haben viel gemeinsam. Traditionell haben diese Ansätze jedoch versucht, disziplinäre Grenzen zueinander zu wahren. Spätestens seit den 1990er Jahren sind diese Grenzen immer durchlässiger geworden, und die akademischen Praktiken der Grenzziehung scheinen die Praktiker*innen in diesen Bereichen immer weniger zu überzeugen. Die jüngste Entstehung eines Teilbereichs der Anthropologie des Staates an der Schnittstelle von Rechtsanthropologie, Rechtssoziologie, ethnographischen Studien über Bürokratien und Organisationssoziologie zeugt von dieser Entwicklung. In dieser Einführung schlagen wir vor, die traditionellen Grenzen zwischen Rechtsanthropologie, Rechtssoziologie und Anthropologie des Staates bewusst zu überschreiten, wenn es um die ethnographische Untersuchung des offiziellen Rechts geht. Auf der Grundlage der Beiträge zu diesem Sonderheft - bestehend aus empirischen Artikeln und Kommentaren - zeigen wir mehrere Wege für Grenzüberschreitungen und theoretische Neukonzeptualisierungen auf.