Paradoxes of Mindfulness. The Specious Promises of a Contemporary Practice
Sauerborn, Elgen; Sökefeld, Nina; Neckel, Sighard – 2022
Die wachsende Popularität westlicher säkularer Achtsamkeitsprogramme in den letzten Jahrzehnten ist von Soziologen häufig kritisiert worden. Achtsamkeit wird in dieser Argumentationslinie als die neoliberale und kapitalistische Technologie des Selbst schlechthin betrachtet. Diese - durchaus berechtigte - funktionalistische Kritik berücksichtigt jedoch nicht, dass Achtsamkeit zunehmend genutzt wird, um dem wachstumsbedingten Optimierungsdruck zu entkommen. Wir zeigen daher auf der Basis unserer umfangreichen empirischen Feldforschung, wie Achtsamkeit als Antwort auf gegenwärtige Krisen und gesellschaftlichen Wandel verhandelt wird, wie dieses Phänomen als symptomatisches, zeitgenössisches Kulturphänomen verstanden werden kann. Aus unseren ethnographischen Daten von 121 Stunden teilnehmender Beobachtung in Achtsamkeitskursen in Deutschland und sechs Interviews mit Achtsamkeitslehrern sowie der Analyse einschlägiger Literatur rekonstruieren wir vier Paradoxien der Achtsamkeit. Anhand dieser zeigen wir, inwieweit Achtsamkeit ein Programm der trügerischen Versprechen ist. Denn die breite Zugänglichkeit und Popularität des Programms beruht letztlich darauf, dass seine Anwendung ebenso paradox ist wie die gesellschaftlichen Probleme, für die es eine Lösung zu sein verspricht.