Der Artikel untersucht, wie Bürger*inneninitiativen Artikulationen von Nähe im Kontext emotionalisierter Umweltwahrnehmungen nutzen, um die Integration von schützender Fahrradinfrastruktur in die Stadtgestaltung zu fordern. Dazu wird eine Vielzahl von Bild- und Sprachmaterial präsentiert, das im Jahr 2020 im Rahmen verschiedener Fahrraddemonstrationen in Berlin-Neukölln entstanden ist. Diese Flyertexte, Plakate, Reden und Fotos helfen zu verstehen, wie die Sorgen um Sicherheit und Lebensqualität in einer Sprache der Nähe artikuliert werden. Das, was räumlich als näher wahrgenommen wird (städtische Räume des alltäglichen Gebrauchs wie Straßen vor der eigenen Haustür, regelmäßig befahrene Radrouten), verschränkt sich mit dem, was zeitlich als näher wahrgenommen wird, d.h. mit drohenden und bereits eingetretenen "großen Phänomenen" (Everts, 2016) wie Klimawandel und Ressourcenknappheit. In unserer Studie gehen wir davon aus, dass Fahrraddemonstrationen als Transformationserfahrungen funktionieren. Fahrraddemonstrationen werden durch Emotionen wie Angst oder Wut motiviert, können aber auch andere Emotionen wie Freude und Gemeinschaftsgefühl im Zuge des Protests erzeugen. Für die Dauer der Demonstrationen werden Straßen zu gelebten, fahrradtauglichen Räumen, und die Machtverhältnisse, die sonst den städtischen Straßenverkehr bestimmen, werden für kurze Zeit in Frage gestellt. Die Erfahrung von Nähe wird zur Erfahrung von Zugehörigkeit und Selbstbestimmung. Es sind diese Raumaneignungen, die Fahrraddemonstrationen als eine untersuchenswerte Protestform auszeichnen, da sie dazu beitragen, Emotionen zu verändern und die Wahrnehmung der eigenen Umwelt zu intensivieren.