Dass Theodor W. Adorno in seiner 1951 verfassten „Rede über Lyrik und Gesellschaft“ ausgerechnet ein Gedicht des Biedermeier Schriftstellers Eduard Mörike wählt, um sich nicht nur der Beziehung zwischen gesellschaftlicher Bedingtheit und lyrischem Ausdruck anzunähern, sondern auch das utopische Potential von Dichtung auszuweisen, mag zunächst verwundern. So verkörpert Mörikes „Auf einer Wanderung“, veröffentlicht 1845, auf den ersten Blick doch eben jenen eskapistischen Rückzug ins Apolitische, Heimelige und Idyllische, der dem Biedermeier immer wieder zum Vorwurf gemacht worden ist. Und wirklich lässt sich „Auf einer Wanderung“ zunächst als Weltflucht lesen: Ein Wanderer durchquert eine kleine Stadt im Abendsonnenschein, in der er zwar keine Menschen antrifft, aber dafür eine synästhetisch dicht gewebte Atmosphäre, angereichert durch „Blumenflor“