Im Schattenreich der Institution: Eine affekttheoretische Perspektive
Scheve, Christian von; Slaby, Jan – 2022
Obwohl Affekte und Emotionen in der Institutionen- und Organisationsforschung häufig diskutiert werden, werden sie nur selten systematisch und entsprechend ihrer übergreifenden Bedeutung untersucht. Um die entscheidende, aber subtile, manchmal kaum wahrnehmbare oder selbstverständliche Macht von Institutionen zu untersuchen, müssen wir ein besseres Verständnis der engen Verflechtung von institutionellen Regeln, Abläufen und Räumen mit komplexen affektiven Dynamiken erreichen. In diesem Artikel entwickeln wir daher einen analytischen Rahmen, der es ermöglicht, die zahllosen affektiven Dynamiken, die Institutionen kennzeichnen, zu untersuchen. Erstens kann dieser Rahmen dazu beitragen, die Mehrdimensionalität des institutionellen Affekts zu erfassen und somit empirische Studien über Institutionen zu informieren. Zweitens: Unser Ansatz ermöglicht es Wissenschaftler*inenn und Forscher*innen, jene Entwicklungen und Handlungsweisen sichtbar zu machen, die den offiziellen Funktionen und Selbstverständnissen von Institutionen zuwiderlaufen. In einem ersten Schritt schlagen wir eine begriffliche Klärung von "Institution" und "Organisation" vor, die verschiedene sozialtheoretische Bezüge einbezieht, die einige Dynamiken des institutionellen Affekts bereits andeuten. Zur weiteren Detaillierung dieser Perspektive entwickeln wir ein analytisches Raster, das sich erstens auf das konzentriert, was wir die "leitenden Affekte" von Institutionen nennen, und zweitens auf die internen affektiven Dynamiken von Institutionen. Der vorgeschlagene Rahmen bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten zu Diskussionen über Institutionen in den Kultur- und Sozialwissenschaften.