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UP 3: Die audiovisuelle Geschichte rassistischer Gemeinschaften in Deutschland nach 1989 (Regina Brückner, Hermann Kappelhoff)

STAU – JETZT GEHT‘S LOS (1992, R: T. Heise)

STAU – JETZT GEHT‘S LOS (1992, R: T. Heise)

Das UP3 geht von der Diagnose aus, dass die rassistischen Gewalttaten Anfang der 1990er Jahre innerhalb der migrantischen Bevölkerung Deutschlands ein prägendes Gefühl „als ‚Ausländer‘ angegriffen“ worden zu sein (Kahveci & Sarp 2017) hervorriefen. Dieses Gefühl ließe sich als ein Sense of Commonality im Sinne Rortys verstehen, wurde jedoch weder im deutsch-türkischen Kino noch in der Medienlandschaft signifikant aufgegriffen (Heidenreich 2015). Vor diesem Hintergrund untersucht das UP3 aus zwei miteinander verschränkten Perspektiven die audiovisuelle Produktion kultureller Gemeinschaften, für die eine explizit rassistische Weltsicht vorausgesetzt werden kann und die sich somit aggressiv gegen ein integrierendes Gemeinwesen richten:
1. Untersuchung des Verhältnisses audiovisueller Medien zur Herausbildung dieser neonazistischen und rechtsradikalen Szenen: Wie generieren die affektpoetischen Konzepte und die darin greifbaren Taktiken der Aneignung eine spezifische Sensualität geteilter Wahrnehmbarkeiten, die als audiovisuelle Kultur zu qualifizieren ist? Mit einem Fokus auf die 1990er und frühen 2000er Jahre sollen diese Prozesse anhand von Videos (z.B. die Reihe „Kriegsberichter“), Wahlwerbespots von DVU und NPD, aber auch von in diesen Szenen zirkulierenden ,Kultfilmen‘, Weltkriegs-Dokumentationen, etc. untersucht werden. Das UP wird zunächst den Korpus rassistischer Filmproduktion im Rahmen einer Archivrecherche in Kooperation mit apabiz e.V. systematisch erschließen. Anschließend werden diese Produktionen mit Blick auf ihre affektpoetische Logik analysiert.
2. Die Spannung zwischen massiver Abgrenzung („Untergrund“) und gleichzeitigem Drang nach öffentlicher Sichtbarkeit dient als Ausgangspunkt für die Untersuchung der medialen Wahrnehmbarkeit dieser Gemeinschaften, ihrer Taten und Opfer, im Horizont übergreifender Öffentlichkeiten. Denn spätestens bei rassistisch motivierten Gewalttaten gehört die Anwesenheit von Fernsehkameras zum Kalkül. Daher soll die Berichterstattung über die Pogrome von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen sowie die Brandanschläge in Mölln und Solingen deskriptiven Analysen unterzogen werden. Dokumentar- und Spielfilme über Rechtsextremismus und Rassismus werden hierzu ins Verhältnis gesetzt und daraufhin befragt, welche Wahrnehmbarkeiten von rassistischer Gemeinschaftsbildung sie überhaupt herstellen, und welche Dynamiken zwischen der Bildung partikularer kultureller Gemeinschaften und politischem Gemeinwesen auftreten. Grundlage des UP ist eine Dissertation zur audiovisuellen Präsenz des NSU-Komplexes.