Zur Vergebung. Eine Reflexion im Ausgang von Paul Ricœur
Bernhardt, Fabian – 2014
Öffentliche Szenen der Bitte um Vergebung, des Geständnisses und der Reue – die Inszenierung der Schuld scheint von der Bühne des Politischen nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, welche das Vergeben zu einer therapeutischen Kraft erklären, die uns in die Lage versetzen soll, uns selbst von der Last des Vergangenen zu befreien. Aus philosophischer Sicht werfen diese Tendenzen eine Reihe von Fragen auf: Muss man gegenüber der Neigung, das Vergeben vorschnell zu einem Können und einer Kompetenz zu erklären, nicht darauf beharren, dass es Unverzeihliches gibt, bestimmte Taten also, von denen man schlechthin nicht sieht, wie sie jemals vergeben werden können? Gerät eine Vergebung, die an eine bestimmte Bedingung oder einen bestimmten Zweck geknüpft wird, nicht zu einem bloßen Tauschgeschäft? Wie steht es um das Verhältnis zwischen Vergebung und Gerechtigkeit? Kann es eine Politik der Vergebung geben? Diese Fragen markieren den Problemhorizont, in dem sich Fabian Bernhardts Buch Zur Vergebung bewegt. Seine Grundlage bildet eine genaue Lektüre und behutsame Weiterführung der Überlegungen, die der französische Philosoph Paul Ricœur (1913–2005) in seinem geschichtsphilosophischen Spätwerk entwickelt hat. Flankiert werden Ricœurs Überlegungen von den Positionen anderer Denker/innen des 20. Jahrhunderts, wie Hannah Arendt, Vladimir Jankélévitch und Jacques Derrida. Geleitet von der Überzeugung, dass eine Reflexion auf die Vergebung nicht umhin kann, sich am Prüfstein des Unverzeihlichen zu messen, sondiert Bernhardt den Abstand zwischen der Tiefe einer unverzeihlichen Schuld und der Höhe einer bedingungslosen Vergebung.