Die Macht der Immersion. Theater oder Realität?
Mühlhoff, Rainer; Schütz, Theresa – 2019
Wir setzen uns mit zeitgenössischen Immersionsphänomenen auseinander und schlagen ein dezidiert affekttheoretisches Verständnis des Begriffs vor, welches an Theorien von Macht und Subjektivierung anschlussfähig ist. Immersion ist ein bestimmter Modus der Einbettung in ein Gefüge affektiver Relationen. Sie beruht auf reziproken Dynamiken des Affizierens und Affiziertwerdens, in denen das Individuum ganz in eine lokale Umgebung eingebunden und in seinem Denken, Fühlen und Handeln situativ moduliert wird. Die Erfahrungsqualität dieser Einbindung lässt sich – je nach Situation – als Vereinnahmung oder Verschmelzung erläutern. Wir diskutieren die gegenwärtige Verwendung des Immersionsbegriffs in Bezug auf verschiedene Beispieldomänen, die von Theater- und Performancekunst bis zu modernen Personalführungstechniken in der Industrie reichen. Mit Blick auf die sozialtheoretische Anwendung beschreiben wir unter dem Begriff der »immersiven Macht« eine im Affektiven wirksame Form von Gouvernementalität. Damit leisten wir insgesamt einen theoretischen Brückenschlag zwischen bestehenden kunst- und medienwissenschaftlichen sowie sozialtheoretischen Diskussionen von Immersion.